Female Finance: Die Vermögensverwaltung muss mehr Pink wagen

Julie Bossdorf

Erinnern Sie sich noch an das Foto, das am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar 2022 für Aufsehen sorgte? An einem langen Lunch-Tisch bei einem Treffen von Wirtschaftsunternehmen waren ausschließlich Männer zu sehen. Ein solch rein männlicher Teilnehmerkreis sorgt mittlerweile, wie wir bei diesem Ereignis quasi in Echtzeit feststellen konnten, für Kopfschütteln und Verwunderung. Doch das gilt auch für viele andere Teile der Wirtschaft im Jahre 2022: Auch hier werden Frauen als Teil des Business verstanden und gesucht. Und die Irritation, die folgt, wenn sie nicht gefunden werden, nimmt zu.

Unterschiede weiterhin vorhanden

Ein Blick in die aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, wo Frauen bei der gesellschaftlichen und finanziellen Gleichberechtigung stehen. Frauen erreichen bei schulischer und beruflicher Qualifikation im Durchschnitt ein höheres Niveau als Männer. So hatten 2019 rund 41 Prozent der Frauen, aber nur 39 Prozent der Männer im erwerbstätigen Alter Abitur oder Fachhochschulreife.

Dennoch sind nach wie vor Frauen seltener in Top-Positionen der Wirtschaft zu finden. Nur ein gutes Zehntel aller Vorstandsposten der 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen sind mit Frauen besetzt. Anders sieht es auf der zweiten Führungsebene aus: Hier liegt der Frauenanteil mit 40 Prozent nur etwas niedriger als der Anteil an allen Beschäftigten. Große Unterschiede gibt es auch weiterhin beim Geld: So lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen mit 18,62 Euro brutto um 18,3 Prozent oder 4,16 Euro unter dem der Männer. Was sich zwangsläufig spätestens bei der Rente rächt, denn nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 49 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer.

Finanzbranche mit „Pink Ghettos“

Die Finanzindustrie ist traditionell eher männlich geprägt. Doch damit es nicht so bleibt, tut sich einiges. Die Fondsfrauen, das größte deutschsprachige Karrierenetzwerk zur Förderung und Gleichstellung von Frauen in der Finanzindustrie, informierte vor wenigen Monaten zum dritten Mal – gemeinsam mit KPMG und der Universität Mannheim – über Gender Diversity in der Asset Management-Industrie.

Die Studie eröffnet wichtige Erkenntnisse, die auch der Beantwortung der Frage dienen, wie Vermögensverwaltungen sich erfolgreich für die Zukunft aufstellen können. Erstens: Der Anteil an weiblichen Bewerberinnen liegt mit 26 Prozent auffallend niedrig. Frauen wollen also seltener in die Branche, was jedem Arbeitgeber in der Branche bewusst sein sollte. Zweitens – und das ist ein positives Signal: Der Frauenanteil an den Berufsanfängern ist mit 42 Prozent im direkten Vergleich mit dem Anteil der Bewerbungen von Frauen überproportional hoch.

Diese Zahl zeigt, dass Unternehmen ein ernsthaftes Interesse an Mitarbeiterinnen haben und diese tendenziell bevorzugt einstellen, sicherlich auch, um den bislang geringen Frauenanteil zu erhöhen. Besonders viel Luft nach oben gibt es beim Frauenanteil in den Geschäftsführungen, und das ist die dritte Erkenntnis: Von 12 Prozent in 2015 ist er bis 2020 auf gerade einmal 13 Prozent gestiegen.

„Pink Ghettos“: Personal und Marketing

Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass Frauen in der Finanzbranche in sogenannten „Pink Ghettos“ arbeiten. Damit sind die Bereiche Personal, Compliance und Marketing gemeint, in denen jeweils 57 Prozent (im Marketing), 67 Prozent (in Compliance) oder gar 81 Prozent (in den Personalabteilungen) Frauen arbeiten. Unerfreulich dagegen der Anteil der Frauen in anderen Bereichen: Nur 21 Prozent der Beschäftigten im Portfoliomanagement sind weiblich.

Doch die Fondsfrauen wollten es noch genauer wissen: Sie befragten in Ihrer Studie die teilnehmenden Unternehmen zum Gender-Pay-Gap. Und diese zeigten sich dabei äußerst zurückhaltend, auch bei ihren Antworten: Nur zwei der beteiligten Unternehmen berechnen die Differenz für den internen Gebrauch und zwei weitere planen eine Berechnung. Leichter zu ermitteln waren dagegen die variablen Jahresvergütungen. Hier gab es deutliche Unterschiede: Auf der zweiten Führungsebene lag der Unterschied bei rund 30 Prozent, in der dritten Ebene bei etwa 40 Prozent. Das zeigt vergleichsweise eindeutig, dass Frauen in der Vermögensverwaltung ihre Boni weniger stark verhandeln als Männer. Ein Thema, bei dem sich Frauen in Zukunft deutlich engagierter zeigen müssen.

Frauen suchen Frauen

Entwicklung tut also Not. Frauen dürfen sich – auch in der Finanzbranche – nicht in die Komfortzone zurückziehen. Sie müssen heraustreten, sich zeigen und an sich glauben. Zu viele Frauen haben das Imposter- oder Hochstapler-Syndrom verinnerlicht: Viele erfolgreiche Frauen glauben, dass ihre Leistungen von anderen überschätzt würden.

Arbeitgeber können Frauen unterstützen, indem sie ihre Mitarbeiterinnen gezielt fördern – beispielsweise durch Medientraining, das branchenübergreifend als ein Schlüssel zur Förderung talentierter Frauen gilt. Denn Frauen, die sich als Rednerinnen oder bei Panel-Diskussionen äußern, werden zu Role Models, Vorbildern und ebnen weiteren Frauen den Weg. Und sie erhöhen die Sichtbarkeit von Frauen in der Branche. Nicht nur gegenüber den entscheidungstragenden Kollegen, denen, wie beschrieben, ein höherer weiblich Anteil nicht schaden würde, und potenziellen Bewerberinnen, die erst mit den entsprechenden Vorbildern den Schritt ins Asset Management wagen. Sondern auch gegenüber Kundinnen. Denn auch wenn noch immer nur ein kleiner Teil der Frauen ihre langfristige Finanzplanung selbst in die Hand nehmen: Die Zeiten ändern sich und es gibt kaum einen größeren globalen Wachstumsmarkt als Female Finance.

Ja, Frauen verdienen weniger als Männer. In den Einkommensklassen ab 1.500 Euro netto liegt der Anteil der Männer stets über dem der Frauen. Aber die Frauen holen auf und immer mehr verfügen über gute Einkommen – 0,6 Prozent der Frauen immerhin über ein monatliches Nettoeinkommen von 5000 Euro und mehr. Bei den Männern sind dies 4,4 Prozent. Die Schere liegt also noch weit auseinander, sie wird sich aber immer schneller schließen. Die Konsequenz daraus: Natürlich entscheidet auch in Zukunft nicht das Geschlecht über die Qualität der Vermögensverwaltung und nicht jede Frau möchte ausschließlich von einer Frau beraten werden. Mangelnde oder gar vollständig fehlende Repräsentation wird künftig jedoch immer weniger akzeptiert werden, siehe auch das Beispiel oben. Die Teilhabe von Frauen wird weiter steigen. Wer daran mitwirken und die Zukunft der Vermögensverwaltung aktiv gestalten möchte, statt nur vom Spielfeldrand zuzusehen, tut gut daran, Frauen als Kundinnen, Kolleginnen und Entscheidungsträgerinnen nicht nur mitzumeinen, sondern explizit mitzudenken. Und sich zu fragen, was er oder sie selbst tun kann, damit die männlich geprägte Finanz- und Vermögensverwaltungsbranche bald der Vergangenheit angehört.

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