KI und menschliche Expertise: Zwei Meinungen zur Zukunft der unabhängigen Vermögensverwaltung

Künstliche Intelligenz (KI) wird innerhalb der Vermögensverwaltung bereits seit einigen Jahren verwendet. Doch erst mit der flutartigen medialen wie tatsächlichen Verbreitung von ChatGPT bekam das Thema Aufwind. Wie ist der Status quo in der Praxis und wohin geht die Reise?

Marc André Buczek, Vermögensverwalter und kaufmännischer Leiter von Ringelstein & Partner Vermögensbetreuung GmbH, und Felix Scheppe, Portfoliomanager von B&K Vermögen GmbH, geben uns ihre Einschätzung.

Cinerius: Welche Begegnungen mit künstlicher Intelligenz hatten Sie bisher als Vermögensverwalter?

Buczek: Ich nutze künstliche Intelligenz, um Excel-Makros zu programmieren und so Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten, und hole mir von der KI Brainstorming-Ideen für Artikel. Künstliche Intelligenz liefert uns außerdem ein Grundgerüst für neue Kundenbriefe, etwa bei Geburtstagen oder Umzügen, und Beschreibungstexte zu Terminarten auf einer neuen Terminbuchungsseite. Im Vordergrund steht währenddessen stets der Datenschutz.

Scheppe: Einer unserer externen Anbieter wendet KI zur Datenanalyse an. ALGO-Fonds bilden mithilfe von Algorithmen und statistischen Modellen ein automatisiertes Handelssystem. Im Rahmen der sogenannten Sentimentanalyse durchleuchtet künstliche Intelligenz Stimmungsindikatoren und Nachrichtenströme. Sie ermöglicht auf diese Weise Rückschlüsse hinsichtlich der Marktentwicklung.

Was schränkte die Nutzbarkeit von KI in der Vergangenheit ein?

Scheppe: Ich halte die inzwischen verbesserte Qualität der herangezogenen Daten für einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Daten von geringer Qualität sorgen für fehlerhafte Modelle, die zu falschen Annahmen und Prognosen führen.

Buczek: Für mich liegt der größte Vorteil der neuesten KI-Generation in der Einfachheit der Benutzung. Früher kommunizierte man mit der KI mittels Programmcode. Heute unterhalten wir uns viel natürlicher, via Natural Language Processing (NLP). Mit dieser Entwicklung verändern sich die Erwartungen der Kunden stark. Untersuchungen des US-amerikanischen Marktes zufolge werden 2030 bis zu 80 Prozent der neuen Kunden im Bereich Vermögensverwaltung eine Beratung nach dem Netflix-Modell wünschen: datengesteuert, hyperpersonalisiert, kontinuierlich und möglicherweise im Abonnement. Die Prognose lässt sich möglicherweise nicht exakt auf Deutschland übertragen, aber wir sollten auch hierzulande mit ähnlichen Entwicklungen rechnen.

ChatGPT gehört zur sogenannten generativen KI. Dieser Begriff schließt KI ein, mit deren Hilfe Texte, Audiodateien, Bilder, Videos oder Codes entstehen, aber auch maschinelles Lernen und Deep Learning. Diese Vielfalt eröffnet ein großes Spektrum an Einsatzmöglichkeiten in der Vermögensverwaltung. Effizienzsteigerung drängt sich als kurzfristige Zielsetzung auf: Welche internen Abläufe lassen sich sinnvoll automatisieren?

Buczek: Etliche Arten der manuellen Datenverarbeitung, darunter Datenabrufe aus Internetquellen sowie die Erstellung von PDF-Dateien oder Texten – deren Automatisierung ist mit dem aktuellen Entwicklungsstand der naheliegendste Schritt. Experten des McKinsey Global Institute (MGI) rechnen damit, dass Technologien rund um die generative KI weltweit einen jährlichen Produktivitätszuwachs von 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar ermöglichen. Darin steckt also, auch auf unsere Branche entsprechend übertragen, enormes Potenzial.

Scheppe: Der Prozess des Kunden-Onboardings lässt sich von der KI genauso optimieren wie die Erstellung von Performanceberichten – Quartals-, Halbjahresberichte etc. – oder die Compliance-Überprüfung. Beim Risikomanagement kann man Warnsignale zu potenziellen Risiken oder Abweichungen automatisch identifizieren.

Wie sieht es im Hinblick auf das Asset Management an sich aus, also etwa die Auswahl von Anlageformen oder den Zeitpunkt von Investitionen?

Buczek: KI vereinfacht die Vorverarbeitung von Datensätzen und beschleunigt damit den Investmentprozess. Sie hilft zum Beispiel Einstiegssignale im Rahmen der Chartanalyse besser zu interpretieren. Wichtig ist dabei immer die Qualität der Daten – denn wie sagt man so schön „Shit in, Shit out!“

Scheppe: Fortgeschrittene Robo-Advisor-Plattformen bieten automatisierte Anlageberatungsdienste an. Das von ihnen hierzulande verwaltete Vermögen wächst übrigens deutlich: von 1,8 Milliarden Euro in 2018 auf knapp 15,3 Milliarden Euro in 2021 allein in Deutschland. Zudem entwickeln Algorithmen individuelle Anlagestrategien auf Basis der finanziellen Ziele und Präferenzen. Sie überwachen die Entwicklungen und nehmen eigenständig Anpassungen und Rebalancing-Maßnahmen vor.

Sehen Sie die Verwendung von KI als entscheidenden Wettbewerbsvorteil an?

Buczek: Blicken wir auf das Asset Management, so bietet diese womöglich kurzfristig Wettbewerbsvorteile, indem einige wenige Gesellschaften Informationen schneller analysieren und daraus Vorteile generieren. Mittel- bis langfristig dürfte sich dieser Vorteil egalisieren, weil zu viele auf gleiche Lösungen setzen. Außerhalb des Asset Managements, denke ich, wird sie ein notwendiger Baustein sein, ohne den die erfolgreiche Positionierung im Wettbewerb schwierig wird, schon aufgrund eines steigenden Effizienz- und Margendrucks.

Scheppe: Ein hybrides Modell aus künstlicher Intelligenz und Menschen verschafft den Vermögensverwaltern mehr Zeit für strategische Planung und Kundenbetreuung. Das ist essenziell, denn 71 Prozent der Kunden wünschen sich in dieser bewegten Zeit einen regelmäßigen Kontakt mit ihrem Berater. Gute Qualität der Daten vorausgesetzt, verbessert sich die Datenanalyse. KI eröffnet ebenso den Zugang zu alternativen Datenquellen, die traditionell nicht in die Anlageentscheidungen einbezogen wurden: Daten aus sozialen Medien und dem Internet-of-Things (IoT) sowie Satellitenaufnahmen. Die Auswertung gewährt zusätzliche Einblicke. Diese Elemente bringen potenzielle Wettbewerbsvorteile. 


Der Einsatz von KI bedeutet eine Veränderung der bisherigen internen Prozesse. Werden jene Unternehmen die Nase vorne haben, die das Changemanagement beherrschen?

Buczek: Ohne Neugierde und Veränderungsbereitschaft findet Weiterentwicklung nicht statt. Wir brauchen folglich nicht nur innovative Technologien und angepasste Prozesse, sondern darüber hinaus eine entsprechende Einstellung.

Gehen Vermögensverwalter in Zukunft Partnerschaften mit neuartigen Playern ein? Oder stellen sie selbst vermehrt Datenanalysten und IT-Spezialisten ein?

Buczek: Für einzelne, eher kleinere Vermögensverwalter, wird die Beschäftigung eigener IT-Spezialisten nicht kosteneffizient sein. Vorstellbar wäre eine Konsolidierung der Ressourcen und die Realisierung von Synergien innerhalb einer Gruppe. Kooperationen sehe ich im Bereich der Finanz- und CRM-Software.

Wie lässt sich beim Einsatz künstlicher Intelligenz, die auf Daten Dritter beruht, die Unabhängigkeit und Individualität der Vermögensverwalter bewahren?

Scheppe: Das funktioniert, indem ein Vermögensverwalter seine Datenquellen gezielt auswählt. Neben den Daten Dritter greift er auf eigene proprietäre Daten und interne Ergebnisse zu, um somit ein hohes Maß an Individualität zu gewährleisten. KI dient ausschließlich als Werkzeug. Die menschliche Interpretation der Ergebnisse und die Anpassung an Kundenbedürfnisse und -präferenzen bleiben entscheidend. Ein Vermögensverwalter muss ferner die Entscheidungsprozesse der KI-Modelle verstehen und erklären können, um selbst Vertrauen zu gewinnen und dieses zu vermitteln.

Was ist Ihre persönliche Vision von der Zukunft der KI in der unabhängigen Vermögensverwaltung?

Buczek: Für Kunden sind Geldangelegenheiten immer eine Vertrauensfrage und Vertrauen entsteht zwischen Menschen. KI kreiert Freiräume für eine direkte und ganzheitliche Beratung, damit der Geschäftsbereich der Vermögensverwaltung ein persönliches Geschäft bleibt, das sich von Robo-Advisors und passiv gemanagten Fonds deutlich abhebt.

Scheppe: Kunden greifen über eine intuitive digitale Plattform auf ihre Portfolios zu und verfolgen dort ihre Investments. Vermögensverwalter treten mit den Kunden in Kontakt und sorgen für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse, indem sie beraten und Anlagestrategien anpassen. Ein hybrides Modell setzt sich durch, da künstliche Intelligenz weder Integrität noch interfamiliäre Themen begreift. Sie liest des Weiteren nicht zwischen den Zeilen.

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