EU-Taxonomie in der Kritik: Bessere Orientierung für Anleger mit dem FNG-Siegel?

Christoph Lieber

Mit dem „Green Deal“ hat die Europäische Kommission ein klares Ziel vorgegeben: Europa soll spätestens 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein. Den Weg dahin sollen Investitionen in nachhaltige Geschäftsaktivitäten ebnen. Aber welche Unternehmen verfolgen wirklich nachhaltige, zukunftsorientierte Geschäftsmodelle? Diese Frage soll die EU-Taxonomie beantworten – doch das „Klima-Siegel“ der EU steht bereits vor seiner flächendeckenden Einführung in der Kritik. Zu Recht?

Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Technologien

Der Stein des Anstosses in der öffentlichen Diskussion ist folgender: Die EU-Kommission hält auch Atomenergie und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen für nachhaltig. Im Fall von Atomkraftwerken unter anderem dann, wenn die Anlagen technisch auf dem neuesten Stand sind, spätestens 2045 eine Baugenehmigung erhalten und die Betreiber bis 2050 einen Plan zur Entsorgung radioaktiver Abfälle vorlegen. Neue Gaskraftwerke gelten dagegen laut EU-Taxonomie als nachhaltig, wenn ihr Treibhausgasausstoss eine definierte Grenze nicht überschreitet.

Auch wenn man über die Frage, ob Atomkraftwerke der neuesten Generation nicht durchaus einen „grünen“, nachhaltigen Beitrag zur Lösung der globalen Energieproblematik leisten können, lange diskutieren könnte: Atomkraft polarisiert. Selbst wenn Vermögensverwalter für sich persönlich Atomkraft als notwendigen Baustein einer nachhaltigen Energiewende einstufen, ist in Deutschland die Skepsis der Anleger tiefer verwurzelt als in anderen europäischen Ländern. Verliert die EU-Taxonomie also ihre Glaubwürdigkeit, wenn nachhaltig ausgerichtete Fonds auch Aktien von Gas- und Atomkonzernen enthalten dürfen? Und wie können ökologisch motivierte Anleger künftig sichergehen, solche Investitionen dennoch zu vermeiden, wenn sie die diese Einstufung der EU-Taxonomie nicht teilen?

Hohe Ziele erfordern hohe Investitionen

Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass es Zweck der Taxonomie ist, privatwirtschaftliche Investitionen stärker in ökologisch nachhaltig agierende Unternehmen zu lenken. Der Druck der Kapitalmärkte soll Unternehmen dazu bewegen, ihre Geschäftsaktivitäten an den Zielen des Green Deals auszurichten. Zudem sind für die Transformation der EU-Wirtschaft zur Klimaneutralität laut EU-Kommission jährliche Investitionen in Höhe von 350 Milliarden Euro nötig – Summen, die aus öffentlicher Hand allein nicht zu stemmen wären. Unternehmen sind deshalb angehalten, künftig den Nachhaltigkeitsgrad ihrer Geschäftsaktivitäten nachzuweisen und so Transparenz zu schaffen.

Nachhaltiges Investieren boomt

Das ist auch deshalb relevant, da in Europa bis zum Jahr 2025 bereits knapp 60 Prozent des gesamten Fondsvermögens in Fonds angelegt sein könnten, die ökologische und soziale Faktoren sowie verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken (ESG) berücksichtigen. Immerhin betrachten laut PwC rund 90 Prozent der Verbraucher Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht als kurzfristigen Trend, sondern als langfristigen Systemwechsel – zu dem auch die Finanzbranche ihren Beitrag leisten kann. Diese überwältigende Mehrheit kann nicht ohne Folgen für die Vermögensverwaltung bleiben. Also ist es nur konsequent, dass 27 Prozent der von PwC befragten Akteure den Verkauf konventioneller Anlageprodukte ohne ESG-Bezug vollständig einstellen wollen.

Der Weg zu einer „nachhaltigen Finanzwirtschaft“ scheint damit vorgezeichnet. Die öffentliche Diskussion über die spezifische Umsetzung der EU-Taxonomie schürt jedoch Zweifel, die sich nicht auf die Einstufung von Atomenergie und fossilem Gas als nachhaltige Energieträger beschränken. Das gesamte Regelwerk könnte seine Wirkung verfehlen und sogar höhere Emissionen hervorrufen, warnt beispielsweise das Münchner ifo-Institut in einer aktuellen Studie. Die Wissenschaftler unterscheiden zwischen „grünen“ und „braunen“ Produkten und befürchten, dass sich die klimaschädliche Herstellung von „braunen“, nicht Taxonomie-konformen Produkten lediglich ins Ausland verlagern könnte, wenn Verbraucher langfristig weiter nach diesen Gütern verlangten.

„Greenwashing“-Lücken in EU-Taxonomie

Die Kritikpunkte zeigen die Greenwashing-Lücken auf, die in dem Regelwerk klaffen. Wenn fossile Energiequellen wie Erdgas potenziell als nachhaltig eingestuft werden und EU-Unternehmen nicht-nachhaltige Geschäftsbereiche über Spin-offs in andere Länder ausgliedern können, bietet das „Klima-Siegel“ der EU weder der Finanzwirtschaft noch den Anlegern die notwendige Sicherheit, Kapital nach bestem Gewissen tatsächlich nachhaltig anzulegen. Nachhaltiges Investieren braucht Vertrauen – und die EU-Taxonomie startet, berechtigt oder nicht, mit einem Glaubwürdigkeitsproblem.

Strenges FNG-Siegel für Nachhaltigkeit

Erfreulicherweise hat sich die Finanzwirtschaft bereits vor Jahren aufgemacht, an eigenen, strengen Standards für nachhaltige Investments mitzuwirken. Seit 2015 gibt es das FNG-Siegel für nachhaltige Investmentfonds in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Anleger, denen Nachhaltigkeitskriterien bei ihrer Geldanlage wichtig sind, finden in der FNG-Bewertung einen glaubwürdigen und ganzheitlichen Ansatz, der keine Schlupflöcher für „Greenwashing“ lässt und in nur wenigen Jahren zum wichtigsten ESG-Rating geworden ist.

Die Methodik des FNG-Siegels basiert auf einem Mindeststandard. Dazu zählen Transparenzkriterien und die Berücksichtigung von Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung, wie sie im weltweit anerkannten UN Global Compact zusammengefasst sind. Alle Unternehmen eines Fonds werden auf Nachhaltigkeitskriterien hin analysiert, der Fonds selbst muss zudem eine explizite Nachhaltigkeitsstrategie vorweisen. Investitionen in Atomkraft, Kohlebergbau, Kohleverstromung, Fracking, Ölsande sowie Waffen und Rüstung sind tabu. Mit dieser strengen, ganzheitlichen Betrachtung ist die FNG-Zertifizierung beim Thema Nachhaltigkeit längst einige Schritte weiter als die EU-Taxonomie. Und das ist gut so. Denn der Ruf der Anleger nach transparent nachhaltigen Fonds und Strategien wird immer lauter – und am Ende des Tages sind es deren Anforderungen, auf die es für Vermögensverwalter ankommt.
 

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